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Hooligans sind kriminelle Vereinigungen

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Eine Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist ein auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen. Eine solche Vereinigung wird zur kriminellen, wenn ihre Zwecke oder ihre Tätigkeit nach dem gemeinsamen festen Willen der Mitglieder auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sind.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall einer Hooligangruppe aus dem Dynamo-Dresden-Fankreis erfüllte die Gruppe die personellen, organisatorischen, voluntativen und zeitlichen Kriterien des Vereinigungsbegriffs:

Sie bestand aus mehr als drei Personen und war nicht nur kurzfristig zur Erreichung eines einmaligen Zwecks, vielmehr auf unbestimmte Dauer angelegt.

Sie verfügte über im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßige Organisationsstrukturen, was sich daran zeigt, dass sie Führungspersonal – jedenfalls den Angeklagten L. sowie ihm nachgeordnet den Angeklagten K. – besaß und eine koordinierte Aufgabenverteilung dergestalt vorsah, dass etwa vornehmlich die Mitglieder des „Jungsturms“ aktiv an den gewalttätigen Auseinandersetzungen teilnahmen, wohingegen sich die „Alt-Hools“ auf die Organisation beschränken konnten. Eine weitere Aufgabenverteilung ergibt sich aus dem Vorhandensein von Kampftrainern sowie der Beauftragung der Angeklagten P. und N. unter anderem mit dem Streuen von Informationen innerhalb der Vereinigung durch die Versendung von Kurznachrichten und des Angeklagten P. mit der Beschaffung der Vereinigungsmitgliedern vorbehaltenen Fleece-Jacken. Weitere Merkmale der Organisationsstruktur waren die festen Trainingstermine an einem bestimmten Ort, die geplante Ausstattung der Vereinigung mit sogenannten Notfallhandys sowie regelmäßige Treffen, auf denen über die Belange der Vereinigung gesprochen und Einzelfragen entschieden wurden. Die Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen war zudem jedenfalls teilweise verpflichtend und Gruppenregeln bestanden insoweit, als Mitglieder von der weiteren Teilnahme an Aktivitäten der Vereinigung ausgeschlossen werden konnten, wenn sie etwa nicht häufig genug zum Training oder zu anderen verpflichtenden Veranstaltungen erschienen waren.

Auch das voluntative Element war gegeben. Insoweit ist erforderlich, dass die Mitglieder der Vereinigung in die kriminellen Ziele der Organisation und in deren entsprechende Willensbildung unter Zurückstellung ihrer individuellen Einzelmeinungen eingebunden sind; nur bei Annahme eines derartigen Gruppenwillens besteht die für die Vereinigung typische und ihre Gefährlichkeit ausmachende; vom Willen des Einzelnen losgelöste Eigendynamik. Es müssen deshalb innerhalb der Vereinigung Entscheidungsstrukturen bestehen, die von allen Mitgliedern als verbindlich anerkannt werden. Wie die Willensbildung innerhalb der Vereinigung vollzogen wird, ist hingegen gleichgültig; das Demokratieprinzip kommt gleichermaßen in Betracht wie das Prinzip von Befehl und Gehorsam, sofern dieses nicht nur die jeweils persönliche Unterordnung des einzelnen Mitglieds unter eine oder mehrere Führungspersönlichkeiten widerspiegelt, sondern auf dem gemeinsamen, unter den Mitgliedern abgestimmten Willen der Gesamtheit beruht.

Der erforderliche Gruppenwille wurde in der Regel dadurch gebildet, dass der Wille des Anführers L. für die Gruppe jedenfalls insoweit maßgeblich war, als dass er letztlich über die Aufnahme neuer Mitglieder ebenso entschied wie – gemeinsam mit dem Angeklagten K. – darüber, welche Mitglieder bei den von ihm verabredeten gewalttätigen Auseinandersetzungen zum Einsatz kamen. Ebenso bestand Einigkeit, dass keine Aktionen gegen den Willen des Angeklagten L. durchgeführt wurden. Die Unterordnung der Mitglieder unter den so gebildeten Gruppenwillen ergibt sich hier schon aus dem Zusammenwirken über den Tatzeitraum von etwa zwei Jahren, in dem es zu zahlreichen verabredeten gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Gruppen kam. Diese zeichneten sich durch einen hohen Grad an Organisation aus, weil An- und Abreise zu dem Ort der Auseinandersetzung zu koordinieren und dafür teilweise Transportfahrzeuge zu beschaffen waren; nach Beendigung der Kampfhandlungen waren die Mitglieder der Gruppierung – nicht zuletzt zur Meidung von Strafverfolgung – stets darauf bedacht, den Tatort binnen kürzester Zeit zu verlassen. All dies wäre ohne eine Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Gruppenwillen nicht möglich gewesen. Aus dem Umstand, dass die Dortmunder Hooligans in großer Zahl flohen, als sie gewahr wurden, dass ihr Gegner die Gruppierung um die Angeklagten war, folgt weiter, dass die sich auch in dem regelmäßigen Kampftraining widerspiegelnden Bemühungen der Vereinigung, sich als „Macht“ zu etablieren, sogar über die Region Dresden hinaus erfolgreich waren. Dass sich die Mitglieder als einheitlicher Verband fühlten, zeigt sich schließlich an ihrem Auftreten in einheitlichen T-Shirts nicht nur anlässlich der Auseinandersetzungen mit anderen Hooligans und an der geplanten Beschaffung von besonderen Jacken, die nur Mitgliedern der Vereinigung vorbehalten waren.

Die Urteilsgründe belegen darüber hinaus die Ausrichtung der Gruppe auf den Zweck der Begehung von Straftaten. Erforderlich ist insoweit, dass die Organisation nach dem fest gefassten Willen der für ihre Willensbildung maßgeblichen Personen das Ziel verfolgt, strafbare Handlungen zu begehen. Das bloße Bewusstsein, dass es zu Straftaten kommen könne genügt nicht, ebenso wenig, dass der Zweck nur von einzelnen Mitgliedern verfolgt, nicht aber auch von den übrigen Mitgliedern getragen wird.

Die erforderliche Ausrichtung der Vereinigung auf die Begehung von Straftaten ergibt sich für den Bundesgerichtshof aus Folgendem: Die Vereinigung verfolgte den Zweck, gewalttätige Auseinandersetzungen gegen andere Hooligangruppen zu organisieren und durchzuführen. Diese Auseinandersetzungen stellen sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gerade wegen der in der vereinbarten Art der Ausführung der Gewalttätigkeiten liegenden Tatumstände als strafbare Körperverletzungen dar.

Da die Gruppierung auf die Austragung der dargestellten körperlichen Auseinandersetzungen ausgerichtet war und sich diese – wie dargelegt – aufgrund der Unwirksamkeit der Einwilligung in die damit einhergehenden Körperverletzungshandlungen als Straftaten erweisen, war die Vereinigung auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet.

Die von der Vereinigung bezweckten verabredeten Schlägereien bzw. die damit verbundenen – regelmäßig gefährlichen – Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB stellten auch eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und damit Straftaten von einigem Gewicht dar. Dies folgt schon aus der erheblichen Rechtsgutsgefährdung, die durch jede der Schlägereien ausgelöst wurde. Entgegen dem Revisionsvorbringen wurden als Austragungsort auch nicht stets entlegene „Drittorte“ gewählt; die Feststellungen belegen auch Auseinandersetzungen im unmittelbaren Umfeld von Fußballstadien und im Innenstadtbereich.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Januar 2015 – 3 StR 233/14


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